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I. KULTURPOLITISCHER SALON

DIE KULTURPOLITISCHE DIMENSION DER EU-OSTERWEITERUNG

16. September 2003, Konzertfoyer der Oper Leipzig

»Kennzeichnend für Europa ist eine reflexive Kultur, die die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu entwickeln.« György Konrád

Welches Interesse haben die Deutschen an den Beitrittsländern Mittel- und Osteuropas? Welches Interesse haben die Menschen dort an Deutschland? Bestehen die neuen gesamteuropäischen Interessen wirklich nur in der Hoffnung auf einen gemeinsamen Markt, auf neue Märkte im Osten und auf Teilnahme an wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten? In Leipzig treffen Menschen aus Ost und West zusammen. Hier, wo die Wende noch immer spürbar und erlebbar ist, herrscht Aufbruchsgeist, hier wird miteinander über die Zukunft gesprochen, die als eine gemeinsame west-östliche Zukunft verstanden wird. Dafür stehen in Leipzig nicht nur wirtschaftliche Prosperität und die Neue Messe, sondern auch Institutionen wie die Hochschulen, das geplante Osteuropazentrum und das bereits existierende Geisteswissenschaftliche Zentrum zur Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, das Polnische Institut, die Galerie für Zeitgenössische Kunst u.a. sowie ein quicklebendiger Kultur- und Kunstaustausch vieler kultureller Einrichtungen mit Künstlern und Institutionen aus Mittel- und Osteuropa.

Doch auch die engagiertesten Zukunftsprojekte müssen aus der Vergangenheit schöpfen. Dies kann nach einem halben Jahrhundert getrennter Geschichte nicht ohne Schmerzen und der Auseinandersetzung mit dem grundsätzlich Verständnis von Geschichte geschehen. Wird ihr im Westen die Aufgabe des Entmystifizierens, des Korrigierens und Bewältigens zugewiesen, birgt sie im Osten - so der rumänische Kulturpolitiker Andrei Plesu - mancherlei Nostalgie und ist mitunter utopische »Komponente einer dramatischen Identitätssuche«. Deshalb steht vor und neben der Entwicklung eines künftigen Europas das Thema der Vergangenheitsbewertung und -bewältigung. Beides verlangt nach konkreten Planungen und Aktivitäten zur Schaffung einer europäischen Kulturpolitik in den Bereichen Erziehung, Bildung und Wissenschaft Medien und Kommunikation, Kunstaustausch und Künstlerförderung.

Der erste Kulturpolitische Salon fragt deshalb, welche zwischenstaatlichen und/oder europäischen kulturpolitischen Gestaltungsräume geschaffen werden müssen, um einen kulturellen Austausch voran zu bringen, der zur Anerkennung nationaler und regionaler Identitäten führt; der gleichzeitig die Identität Europas fördert, der die persönliche Freiheit und Entfaltung der Menschen garantiert und der den Gedanken tragender europäischer Werte und Normen im Bewusstsein der Menschen verankert.

Müssen nicht jetzt die Kultur- und Bildungspolitiker, Wissenschaftler und Pädagogen in Ost und West ihre Schul- und Ausbildungsprogramme abstimmen? Wie ist das gegenseitige Interesse zu wecken, welche Formen der Verständigung wird man wählen, welche (finanziellen) Mittel werden zur Verfügung gestellt? Müssen nicht jetzt Städte- und Regionalpartnerschaften, Jugendaustausch- und Begegnungsprogramme aller Art, Sprachschulungen, Wissens- und Kunsttransfer in einer neuen Größenordnung gefördert werden?

Die Handlungsfelder der Kulturpolitik im erweiterten Europa gehen deutlich über den kommunalen und einzelstaatlichen Aktionsradius hinaus. Im Blick auf die Länder Mittel- und Osteuropas wird eine spezifische Politik erwartet, die mit den Lasten der Vergangenheit umzugehen hat und über alle nationalen Eigenheiten hinaus die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit befördert. Dies ist eine spannende Aufgabe. Wie ist sie zu bewältigen, was ist zu tun, damit - wie es Andrei Plesu, formuliert - der »Zauber jugendlichen Vorausschauens« wieder entdeckt wird?

Es diskutieren:

  • Dr. Kathinka Dittrich
  • Prof. Dr. Andrei Marga
  • Dr. Hanna Nogossek
  • Prof. Dr. Andrzej Tomaszewski
  • Dr. Krzysztof Wojciechowski
  • Moderation:
    Dr. Henning von Löwis of Menar

 

Bericht der Leipziger Volkszeitung zu diesem Salon

Dokumentation zum I. Kulturpolitischen Salon von Eckhard Braun und Nina Johanna Haltern (PDF)