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PRESSESTIMME

EINE TALKRUNDE, IN DER GESTRITTEN UND NACHGEHAKT WIRD

aus der  Leipziger Volkszeitung vom 12. Februar 2004

Wenn im Konzertfoyer der Leipziger Oper zum Kulturpolitischen Salon geladen wird, müssen Stühle nachgeordert werden. Das Angebot trifft offensichtlich einen Nerv. »Zwang zum Event? Kulturpolitik und Erlebnisorientierung«, heißt es heute. Veranstalter ist die Leipziger Arbeitsgruppe der Kulturpolitischen Gesellschaft. Wir sprachen mit zwei der Organisatoren - Isabel Wagner, Studentin der Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft, sowie Eckhard Braun, Justitiar im Leipziger Kulturdezernat.

 

Frage: Wozu brauchen wir noch eine Talkrunde über Kultur?

Eckhard Braun: Wir wollen nicht nur eine Talkrunde machen, sondern nachhaltig diskutieren.

Was meinen Sie damit?

Dass wir an den Themen dranbleiben. So wird der Bereich Osteuropa im November wieder aufgerufen. Kulturstaatsministerin Christina Weiss, die ja im September 2003 eine lange und große Rede mit einem Sieben-Punkte-Katalog gehalten hat, haben wir jetzt schon mitgeteilt, dass wir hier nachhaken werden. Wir wollen wissen, was daraus geworden ist, an ganz konkreten Beispielen.

Salon klingt aber eher nach harmlosem, abgehobenem Parlieren ohne Bodenhaftung ...

Der Salon steht eigentlich für menschliches Miteinander. Austausch von Gedanken kann nur in entspannter Atmosphäre stattfinden. Wir werden jetzt die Podiums-Situation auflockern, Sessel aufstellen - und noch früher als bisher die Diskussion fürs Publikum öffnen.

Auf ihren Flyern sieht man jedes Mal eine Pflanze, diesmal ein Alpenveilchen ...

Das macht ein Student der HGB für uns. Kultur kommt vom lateinischen cultura, was Urbarmachung, Pflege bedeutet. Wir zeigen die Pflanze mit Wurzeln, Blättern und Blüten, manchmal auch mit einem abgeschnittenen Stängel. Kulturpolitik ist schließlich immer auch Gestaltung.

Wen haben Sie diesmal als Gärtner gewinnen können?

Isabel Wagner: Es kommen Oliver Scheytt, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, Eduard Beaucamp, ehemals Feuilletonist der FAZ, Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien sowie Ilse Helbrecht, Professorin für Angewandte Geographie und Spezialistin auf den Gebieten Sozial- und Stadtgeographiean der Uni Bremen. Das Eingangsreferat hält Wolfgang Zacharias vom Verein Pädagogische Aktion/SPIELkultur.

Was war für Sie der Anlass, den Salon mit ins Leben zu rufen, Herr Braun?

Ich war vor drei Jahren zu einer Mitgliederversammlung der Kulturpolitischen Gesellschaft in Magdeburg eingeladen. Da lautete ein Tagesordnungspunkt »Kulturaufbau Ost«. Das hat mich furchtbar aufgeregt. Wir sind hier in einer der kulturträchtigsten Regionen der Welt, und da will man uns vom Kulturaufbau Ost erzählen. Hier ist der Kulturabbau Ost zu verhindern. Das hat mich motiviert, und die Kulturpolitische Gesellschaft in Bonn hat uns von Anfang an unterstützt.

Und Sie, Frau Wagner?

Ich bin über Herrn Braun, der bei uns Lehrveranstaltungen gibt, zu einer Gruppe von Studenten gestoßen, die für eine Tagung zum Thema »Jugendkultur versus E-Kultur« ein Konzept entwickelt hatte. Für mich ist es einfach wichtig, selbst etwas zu tun und nicht in einer passiven Rolle zu bleiben.

Sie laden jetzt zum dritten Mal ein. Wie ist die Resonanz auf die Salons?

Eckhard Braun: Wir sind inzwischen 30 in der Leipziger Arbeitsgruppe. Vor zwei Jahren waren wir fünf. Das Gros der Zuhörer kommt aus Leipzig. Wir bekommen aber auch Nachfragen aus Wien, Hamburg, Kiel, Duisburg. Wir schneiden mit, verschicken CDs, veröffentlichen die Ergebnisse in den kulturpolitischen Mitteilungen und stellen einzelne Reden ins Internet. Manche reisen extra aus Dresden oder Berlin an, wollen sogar bei uns mitarbeiten.

Leipzig-Themen kommen ihnen nicht in den Salon, scheint es ...

Isabel Wagner: Wir sind kein kommunalpolitisches Forum. Wir packen Fragen an, die uns regional, national oder im europäischen Kontext interessieren. Wenn sich in Leipzig interessante Gesprächspartner finden, nehmen wir sie gerne dazu. Aber wir wollen keine Bühne für Leipziger Querelen wie den Streit um die Paulinerkirche sein. Das kann bei uns nur eins von vielen Beispielen sein, zum Beispiel bei der September-Veranstaltung »Die Stadt als Bühne«.

Wäre es nicht auch mal interessant, einen »harten Hund« wie den Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin aufs Podium zu holen?

Eckhard Braun: Wir möchten schon Leute haben, die sich auch fachlich kompetent äußern. Uns geht es aber nicht um Showeinlagen. Solche Leute stiften eher Verwirrung durch unqualifizierte Äußerungen. Konstruktiver Streit ja, Zirkus nein.

 

© Leipziger Volkszeitung, 12.02.2004.

 

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