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PRESSESTIMME

GLOBAL? LOKAL? GLOKAL!

aus der  Leipziger Volkszeitung vom 16. November 2005

Eines der größten Probleme, das Philosophen gemeinhin plagt, ist das Wissen um die eigene Nutzlosigkeit. Mag ihr Denken noch so viele Grenzen überschreiten, die Wirkung ist meist gleich Null. Umso erstaunlicher, dass beim 9. Kulturpolitischen Salon am Dienstag in der Oper Leipzig (Titel »Global - lokal - glokal?«) ausgerechnet ein Philosoph immerzu mit Kosten-Nutzen-Kalkülen hantierte.

Peter Koslowski, Professor an der Freien Universität Amsterdam, vertrat die These, Integration mache nur dann Sinn, »wenn es sich lohnt«. Wenn ein Immigrant nur drei Jahre bleiben wolle, lohne sie nicht. Wolle er 15 Jahre bleiben, dann schon. Ein Land wie Deutschland, das sich nicht als Einwanderungsland definiere und obendrein pleite sei, sah Koslowski nicht in der Pflicht, Integrationsangebote zu unterbreiten. Mit Blick auf die Ausschreitungen in Paris räumte er jedoch ein: Prophylaxe wäre »billiger« gewesen als nun die Schadensbegleichung.

War es bloßer Zufall, dass Koslowski rechts außen auf dem Podium saß? Nicht nur räumlich ihm gegenüber befand sich Caroline Robertson-von Trotha. Die Soziologin aus England mit Lebensmitte in Karlsruhe betrachtete kulturelle Vielfalt als Aufgabe, der man sich aktiv zu stellen habe. Mittels »Leitkulturdebatte«.

Anders als einem sächsischen Ex-Minister kam ihr dabei nicht das Singen der Nationalhymne im Unterricht in den Sinn, sondern das Ziehen klarer Grenzen: Die Pflege kultureller Wurzeln sei in Ordnung, Zwangsheirat, gar Ehrenmord nicht.

Während Dorothea Kolland vom Kulturamt Berlin-Neukölln berichtete, wie kulturelle Vielfalt in der Realität eines Viertels mit 165 Nationalitäten aussieht, sprang Thierry Chervel, Gründer der Website Perlentaucher.de, zurück ins Theoretische. Mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung wies er darauf hin, dass nicht nur eine Verpflichtung zur, sondern auch ein Interesse an Integration bestehe. Im Übrigen bringe es wenig, in der eigenen Muttersprache zu schmollen. Wer lokale Interessen vertreten wolle, müsse dies im »Idiom der Globalisierung« tun, auf Englisch.

Folgte, auf Deutsch, das Schlusswort von Moderator Matthias Middell. Typisch deutsch sei es, die Probleme der Globalisierung »lösen« zu wollen. Er plädierte dafür, sie »auszuhalten«.

 

© Hendrik Pupat, Leipziger Volkszeitung, 16.11.2005.
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