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RÜCKSCHAU ZUM 7. KULTURPOLITISCHEN SALON

VOLLE CLUBS UND LEERE OPERNHÄUSER? ZUR ZUKUNFT DES KULTURPUBLIKUMS

von Uta Karstein, Arbeitsgruppe Leipzig der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

In den Jahren 2001 und 2002 veranstaltete das Kulturdezernat der Stadt Leipzig in Zusammenarbeit mit der Kulturpolitischen Gesellschaft zwei Tagungen, die unter dem Motto »jugendkultur : kontrapunkt : e-kultur« stattfanden . Die Frage lautete damals: Was passiert, wenn die kommunale Kulturlandschaft »vom nachwachsenden Teil der Bevölkerung ignoriert wird, indem dieser Teil sich seine eigenen kulturellen Lebenswelten schafft, die von der offiziellen Kulturpolitik nur mit Mühe erkannt, kaum verstanden und im kulturellen Angebot ungenügend berücksichtigt werden«?

Die Regionalgruppe Sachsen/ Leipzig wollte dieses Problem - auch mit Blick auf den kommenden Bundeskongress - wieder aufgreifen und zur Diskussion stellen. Einerseits wurde gefragt, welche Konzepte es derzeit für die Gewinnung und Aktivierung junger Publikumsschichten gibt. Hier präsentierte der kaufmännische Direktor der Tonhalle Zürich Jürg Keller ein vielversprechendes Erfolgsrezept: die Reihe »TonhalleLATE«, mit der Topleute aus Klassik und DJ-Szene zusammengeführt werden und die so dauerhaft für einen Anstieg des jüngeren Publikums sorgt. Wichtig war in diesem Zusammenhang aber auch die Frage nach den derzeitigen Gewohnheiten des kulturell interessierten und aktiven jungen Publikums. Tatsache ist, dass deren kulturelle Bedürfnisse heute größtenteils durch die Angebote im Bereich der Popkultur abgedeckt werden. Jörg Augsburg, der Mitinitiator der Leipziger Musikmesse »(PopUp« stand für diesen Bereich, der vielen als Sinnbild für eine kulturelle Verflachung und als Ausdruck der Spa?gesellschaft gilt. Augsburg kokettierte damit und machte sich die Rolle des Banausen zu eigen, der die Notwendigkeit der Existenz eines klassischen (Musik)Theaters anzweifelte. Er wies jedoch zugleich darauf hin, dass es hier wie dort Musiker und Publikum mit ernstem Anliegen und hoher Professionalität gibt.

Während der Diskussion wurde mehr als einmal deutlich: Alles steht und fällt mit der Definition. Wer unter Kultur nur klassische Musik, schöngeistige Literatur, alte Kunst und institutionalisiertes Schauspiel versteht, mag Anlass finden, die Jugendlichen von heute als kulturlos zu beschimpfen. Wer hingegen bereit ist, populäre Musik, Literaturshows und freie Szenen ebenfalls als Kultur zu begreifen, hat wenig Grund, um Interesse bei Kindern und Jugendlichen zu fürchten - eher um eine Förderpolitik, die überholte Schwerpunkte setzt. So konnte Susanne Keuchel vom Zentrum für Kulturforschung Bonn Pessimisten beruhigen: »Eigentlich hat sich gar nicht so viel verändert«. Gehe man von einem weiten Kulturbegriff aus, dann sei die heutige Jugend »tendenziell kulturinteressierter als die erwachsene Bevölkerung«.

Der Moderator Ulf Heise überraschte mit spitzen und provokanten Nachfragen, benutzte allerdings bevorzugt einen engen - klassisch bildungsbürgerlichen - Kulturbegriff. Immerhin wirkte dieser Begriffsgebrauch mehr als einmal diskussionsfördernd und forderte zum Widerspruch heraus. So kann schließlich auf einen angeregten Abend im übervollen Konzertfoyer der Oper Leipzig zurückgeblickt werden.

Der nächste Salon am 30. September steht unter dem Motto: »Ostmoderne – Sozialistisches Bauerbe als kulturpolitische Herausforderung« und wird sich mit der Frage beschäftigen, wie die Hinterlassenschaften sozialistischer Architektur aus heutiger Sicht zu bewerten sind und wie sich Kulturpolitik zu dem Bauerbe der Nachkriegsmoderne positionieren kann.

 

Es diskutierten:

  • Susanne Keuchel, Zentrum für Kulturforschung Bonn
  • Jürg Keller, kaufm. Direktor der Tonhalle Zürich
  • Jörg Augsburg, »(PopUp«, Leipziger Messe für Popkultur
  • Moderation:
    Ulf Heise, Literaturkritiker und Journalist, u.a. MDR Figaro

Der 7. Kulturpolitische Salon zum Thema »Volle Clubs und leere Opernhäuser? Zur Zukunft des Kulturpublikums« fand am 31. Mai 2005 um 20 Uhr in der  Oper Leipzig statt.

 

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