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RÜCKSCHAU ZUM XV. KULTURPOLITISCHEN SALON

DER KÜNSTLER ALS ICH-AG? KUNST UND EXISTENZSICHERUNG

von Katharina Schniebs, Sprecherin der Regionalgruppe Sachsen-Leipzig der Kulturpolitischen Gesellschaft und Doktorandin im Bereich Kultursoziologie an der Universität Leipzig

Seit vor gut 150 Jahren die Ära der Auftragskunst endete, sind Künstler und Künstlerinnen selbst für die Verwertung ihrer Werke verantwortlich. Auch heute noch gelingt es aber den wenigsten unter ihnen, wirtschaftlich eigenständig zu sein. Jetzt rückt die soziale Lage der KünstlerInnen, d.h. ihre in der Regel prekären Lebensbedingungen, wieder einmal verstärkt in den Blick. Zum einen, weil mit der steigenden Bedeutung von Kultur- & Kreativwirtschaft eine Bewegung hin zum vermehrt selbstständigen Arbeiten in den entsprechenden Berufsfeldern einhergeht. Künstler können hier als die Vorreiter neuer Arbeitsmodelle gelten; viele der neuen Kreativen teilen mit ihnen neben Prinzipien wie Mobilität, Flexibilität und Parallelarbeit oft auch die unsicheren Einkommensverhältnisse. Zum anderen hat sich im Zuge des Kunstmarktbooms, vor allem in Bezug auf die Neue Leipziger Schule, gleich eine ganze Handvoll junger Künstler höchst erfolgreich am Markt positionieren können.

Wie steht es also heutzutage um das Verhältnis zwischen künstlerischer Selbstverwirklichung und der eigenen Vermarktung und wie sehr müssen KünstlerInnen auch UnternehmerInnen sein? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 15. Kulturpolitischer Salon, den die Regionalgruppe Sachsen-Leipzig der Kulturpolitischen Gesellschaft unter dem Titel »Der Künstler als Ich-AG?« am 10. Juni 2008 im Konzertfoyer der Oper Leipzig veranstaltete. Vier Experten, die die Schwerpunktbereiche bildende Kunst und Musik bzw. Künstleraus- und Weiterbildung vertraten, sollten dabei das Verhältnis von Kunst und Existenzsicherung beleuchten: Anne-Catherine Coppens aus Berlin, die als Künstlercoach Unterstützung vor allem im Bereich Selbstvermarktungs- und Kommunikationsstrategien anbietet; der Leipziger Künstler Michael Fischer-Art, der mit oft umstrittenen Kunstwerken im öffentlichen Raum, die den gängigen (Malerei-)Trends zumeist vollkommen zuwiderlaufen, kommerziell sehr erfolgreich ist; der ebenfalls in Leipzig beheimatete Sänger Holger Krause, Mitglied der renommierten A-capella-Formation »ensemble amarcord«; und als Moderator Prof. Dr. Herbert Grüner von Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der dort den Lehrstuhl für Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften inne hat, dessen Anliegen die Vermittlung von wirtschaftlicher Handelskompetenz für die angehenden Künstler bzw. Designer ist.

Die titelgebende »Ich-AG« wurde einst von der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit initialisiert und ist zum Synonym für berufliche Selbstständigkeit und Existenzgründung geworden. Die ohnehin fragwürdige Konstruktion (der Einzelne als Aktiengesellschaft mit doch zumeist nur geringem Grundkapital) zog eine grundsätzliche Frage nach sich: Man kann für Kunst leben und mit Kunst leben – aber soll und kann man auch von Kunst leben? Anne-Catherine Coppens sah auf Seiten der Künstler ein immer noch romantisches Selbstbild vorherrschen, das sich vor allem über den Widerspruch zwischen Kunst und Wohlstand definiert. KünstlerInnen seien sich sehr wohl bewusst, dass sie Teil des Marktes bzw. des Wettbewerbes sind – zuvor steht aber in vielen Fällen der Wunsch nach Anerkennung des Geschaffenen. Angesichts einer oft freiwilligen Armut plädierte sie für eine verstärkte (Selbst-)Wahrnehmung als Unternehmer, eine Facette, die vom Künstlertum gar nicht so weit entfernt sei. Ähnlich argumentierte Michael Fischer-Art, für den wirtschaftlicher Erfolg vor allem im entsprechenden Know-how für die Verwertung der eigenen Werke begründet liegt, welches wiederum Unabhängigkeit von Mittlerinstitutionen und Galeristen und damit ein erhöhtes Maß an künstlerischer Autonomie gewährleistet.

Doch wie viel Geld muss nun eigentlich sein? Holger Krause sprach wohl für viele Künstler, als er betonte, dass es vor allem darauf ankommt, sich künstlerisch ausleben zu können – das sei wesentlich wichtiger für die Zufriedenheit als ein großes finanzielles Polster. Frau Coppens konnte ähnliches aus ihrer Beratungspraxis berichten: ihre Kunden wollen durch künstlerischen Hervorbringungen vor allem ihren Lebensunterhalt bestreiten. Im Coaching ginge es auch gar nicht darum, den KünstlerInnen zu schnellem Reichtum zu verhelfen; im Vordergrund ständen vielmehr die Ziele, die mit der Kunst erreicht werden sollen und die gemeinsame Erarbeitung passender Instrumente.

Wenn viele KünstlerInnen trotz geringen Einkommens glücklich mit ihrer Arbeit sind, ist das konstatierte Existenzsicherungsproblem also doch eher einer bürgerliche Sichtweise entsprungen? Holger Krause plädierte für mehr Realismus und Risikobewusstsein auf Künstlerseite, davon auszugehen, eben nicht selbstverständlich aufgefangen zu werden. Vielmehr brauche es in der künstlerischen Praxis eine Bewährungszeit, in der neben dem Ausprobieren auch die Chance zum Aufbau von Netzwerken genutzt wird. Krause betonte den Vorteil, so über Jahre in das Musikgeschäft hineingewachsen zu sein. Der studierte Germanist und Kulturwissenschaftler sprach sich zudem dafür aus, die Existenzsicherung auch durch ein zweites professionelles Standbein zu sichern.

Einer der Hauptkritikpunkte der Diskussion setzte bei den Kunst- und Musikhochschulen und ihrem veralteten Künstlerbild an: noch herrscht vielerorts die Überzeugung, die Ausbildung solle weniger auf den Markt vorbereiten als vielmehr einen Schutzraum für die Entwicklung künstlerisch-handwerklicher Fähigkeiten zu bieten. Viele StudentInnen machen zudem die Erfahrung, dass ihre festangestellten Lehrkräfte kein Bewusstsein für den Druck entwickeln, der auf Freiberuflern lastet. Anne-Catherine Coppens konnte aber darauf verweisen, dass es schon an einigen Hochschulen lobenswerte Initiativen gibt, die die Bildung von entsprechenden Netzwerken bzw. Gruppierungen fördern. Zudem sei es nicht nötig, dass die Künstler als komplett ausgebildete Manager vom Studium kommen. Es gehe vielmehr um die Managementnachhilfe, wie sie zum Beispiel am Career&Transfer Center der UdK Berlin zur Erleichterung des Berufseinstiegs angeboten werde. Auch Herbert Grüner konnte davon berichten, dass seine Studenten diese Notwendigkeit bereits anerkennen – als Basis auch für eine nachhaltige Kunst.

Einer konstruktiven Diskussion auf dem Podium schloss sich ein angeregter Dialog mit dem Publikum an. Vielfach wurde dafür plädiert, bei einer Überarbeitung des Berufsbildes des Künstlers anzusetzen. Und obwohl das Verhältnis von künstlerischer Selbstverwirklichung und erfolgreicher Existenzsicherung noch lange nicht ausdiskutiert ist, war man sich in einem Punkt einig: Nicht nur auf Seiten der ausbildenden und beschäftigenden Institutionen, sondern auch bei vielen Künstlern und Künstlerinnen ist ein neues Bewusstsein nötig – dafür, dass die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten, nicht nur ein Wert an sich ist, sondern dass es auch gar nicht so schwer ist, den hieraus erwachsenen ökonomischen Anforderungen selbstbewusst zu begegnen.

Es diskutierten:

 

Der XV. Kulturpolitische Salon zum Thema »Der Künstler als Ich-AG? Zwischen Selbstverwirklichung und Selbstvermarktung« fand am 10. Juni 2008 um 20 Uhr in der  Oper Leipzig statt.

 

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