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RÜCKSCHAU ZUM 4. KULTURPOLITISCHEN SALON »DEUTSCHE FILMFÖRDERUNG – EUROPÄISCHE PERSPEKTIVEN«

IST DEUTSCHLAND KEIN FILMLAND?

von Ulrike Pötzsch, Arbeitsgruppe Leipzig der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Angesichts des Quasi-Wegfalls der kulturellen Filmförderung des Landes Sachsen stand ein brisantes Thema im Mittelpunkt des Kulturpolitischen Salons, zu dem die Arbeitsgruppe Leipzig der Kulturpolitischen Gesellschaft am 1. Juni 2004 einlud. Auch zum mittlerweile vierten Salon kamen wieder zahlreiche Interessierte ins Konzertfoyer der Oper Leipzig.

Mit dem Publikum diskutierten namhafte Gäste aus der Filmbranche: die für Ostdeutschland zuständige Vertreterin des EU-Filmförderprogramms Gabriele Brunnenmeyer von der MEDIA Antenne Berlin-Brandenburg, die Leipziger Produzentin Simone Baumann von der Film und Fernsehproduktion L.E.Vision, der Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung GmbH Manfred Schmidt, der Dokumentarfilmer und Leiter der Dresdner »Projektklasse Neue Medien« Lutz Dammbeck sowie Claas Danielsen, der seit 1. April neuer Leiter des Leipziger Internationalen Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm ist. Die Moderation übernahm der Berliner Filmjournalist Jörg Taszman.

Im einführenden Referat skizzierte MDM-Chef Manfred Schmidt die Situation des deutschen Films und seiner Fördermöglichkeiten und stellte die Frage, ob Filmförderung wirklich sinnvoll sei. Die provokante Antwort: Nein: wenn man in Zukunft nur noch Hollywood-Filme und ein paar wenige europäische Streifen sehen wolle.

Dass der deutsche Film in den hiesigen Kinos eine eher schwache Position hat, zeigen seine Marktanteile, die zwischen 8% und in guten Jahren wie den beiden vergangenen bei etwa 18% liegen. Im ersten Quartal 2004 waren diese Anteile laut Statistiken bereits wieder rückläufig. Dabei war nach Schmidt etwa jeder fünfte Kinofilm, der in diesem Zeitraum in Deutschland neu anlief, ein deutscher: 21 von insgesamt 109! Dennoch fehlt es dem deutschen und auch dem europäischen Film an Besuchern. Wo liegen also die Probleme?

Kaum einer der in der Bundesrepublik produzierten Filme kann heutzutage ohne Fördergelder zustande kommen, das stellten alle Podiumsteilnehmer einhellig fest.

Natürlich kamen auch an diesem Abend die üblichen Kritikpunkte an der hiesigen Filmförderung zur Sprache: es seien nur die föderale Kleinteiligkeit, die papierlastigen Antragsprozedere, der zumeist von den Förderern angestrebte Standort- und Regionaleffekt und der daraus resultierende »Fördertourismus« genannt. Hier bestand von Seiten des Publikums großer Diskussionsbedarf, was die »abstrakteren« europäischen Aspekte leider etwas unterbelichtet ließ.

Wiederholt wurde auf den katastrophalen Einschnitt durch den Wegfall der kulturellen Filmförderung in Sachsen aufmerksam gemacht. Denn anders als die wirtschaftlichen Filmförderungen, gaben die kulturellen Fördertöpfe vor allem jungen und experimentelle Filmprojekten auch ohne das Vorweisen wasserdicht durchkalkulierter Finanzierungspläne eine Chance.

Ist es so, dass der Film-Nachwuchs auf einen geschlossenen Markt trifft, wie Manfred Schmidt zuspitzte? Es gibt auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene verschiedenste Versuche, durch Fortbildungen, Promotion-Aktivitäten auf Festivals oder Kontaktforen den steinigen Weg auf den hartumkämpften Markt zu ebnen. So etwa Claas Danielsens Fortbildungs-Initiative für Dokumentarfilmer aus ganz Europa »discovery campus«, deren Erfahrungen und Kontakte er auch für das Leipziger DOK-Festival nutzen möchte.

Grenzüberschreitende Kooperation und Netzwerkbildung in den Bereichen der pre- und post-production stehen auch im Mittelpunkt des Filmförder-Programms der EU. So erläuterte Gabriele Brunnenmeyer, wie MEDIA u.a. den länderübergreifenden Verleih europäischer Filme unterstützt. Simone Baumann von L.E.Vision, die neben dem Leipziger Büro auch in Moskau seit Jahren Film- und Fernsehproduktionen auf den Weg bringt, berichtete von den Herausforderungen der grenzüberschreitenden Koproduktion.

Alles nur Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Dominanz sogenannter Blockbuster us-amerikanischer Provenienz?

Auch dieser Abend illustrierte die alte Erkenntnis, dass Film ein risikoreiches und hochsensibles Produkt an der Schnittstelle zwischen Kultur und Wirtschaft ist. Wenn er nicht den gnadenlosen Zahlenspielen des Box-Office überlassen werden soll, muss eine umfassende Bewusstmachung des Films als Kulturgut stattfinden. Dies unterstrich der Moderator der Filmkritiker Jörg Taszman mit der provokanten Aussage, dass Deutschland eigentlich gar kein Filmland sei. Man brauche nur mit dem Stellenwert vergleichen, den Kino z.B. in Frankreich habe.

Die europäische Perspektive kann eine Chance sein, es gilt sie zu nutzen?! Wieso gehören Film und das filmische Erbe Europas nicht auch in der Bundesrepublik schon längst zum Schullehrplan? ...

Es diskutierten:

  • Simone Baumann
  • Gabriele Brunnenmeyer
  • Lutz Dammbeck
  • Claas Danielsen
  • Manfred Schmidt
  • Moderation:
    Jörg Taszman

Der 4. Kulturpolitische Salon zum Thema »Zwang zum Event? Kulturpolitik und Erlebnisorientierung« fand am 1. Juni 2004 um 20 Uhr in der  Oper Leipzig statt.

 

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